Köln 1945. Alltag in Trümmern

Am 6. März 1945 endete für die linksrheinische Kölner Bevölkerung der Zweite Weltkrieg. Nach fast sechs Jahren Krieg und zwölf Jahren nationalsozialistische Herrschaft liegt Köln in Trümmern und gleicht einer Geisterstadt. Die Altstadt ist zerstört, kaum ein Gebäude ist mehr oberirdisch bewohnbar. Die hygienischen Verhältnisse sind katastrophal, die Strom-, Wasser- und Gasversorgung funktioniert nicht mehr. Hunger, Not, Erschöpfung und Orientierungslosigkeit prägen den Alltag der Menschen. Die Kölnerinnen und Kölner müssen sich mit den neuen Herausforderungen des Alltags arrangieren. Die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit und Fragen nach der eigenen Mitschuld am Terror-Regime sind zunächst nebensächlich.

Die Zeit von 1945 bis 1948 hält viele Herausforderungen für die Menschen bereit. Erzählt werden sie in Geschichten des Alltags – es sind gleichzeitig die Geschichten, von denen die Ausstellung berichtet.

Dies betrifft den Wiederaufbau der Stadt und ihrer Infrastruktur, zunächst und vordringlich das Enttrümmern der Straßen und Gassen. Dies geschieht hauptsächlich durch Firmen, aber auch im Ehrendienst der Kölnerinnen und Kölner unter dem Motto „Schöppe schöppe is jitzt Trumpf“.

Unter alliierter Aufsicht werden Politik und Verwaltung neu organisiert. Im Oktober 1946 kommt es erstmals wieder zu demokratischen Wahlen der Nachkriegszeit: erster gewählter Oberbürgermeister ist Hermann Pünder. Die alten NS-Eliten sollen ausgeschlossen werden vom Wiederaufbau: auch in Köln und der britischen Zone versucht man eine Entnazifizierung durchzuführen.

Aber auch von den Geschichten des Wiederauflebens der Kultur wird berichtet: Man präsentiert Ausstellungen, Theateraufführungen, Gesang und Tanz – und führt sogar ein Fußballspiel gegen eine britische Auswahl-Elf durch.

Der Alltag jedoch ist geprägt von Hunger und Hungerdemonstrationen, dem ersehnten Empfang von CARE-Paketen, vom „Fringsen“ und dem Handel auf dem Schwarzen Markt. Ein besonderes Zeitdokument ist das Haushaltsbuch des Kölners Willi Rees. Er dokumentiert in den ersten Nachkriegsjahren seine Einnahmen und Ausgaben auf dem Schwarzmarkt – als Währung gelten Zigaretten. Ein CARE-Paket und dessen ungeöffneter Inhalt demonstrieren die ersten humanitären Hilfen und die Not. Trümmer der Kriegszeit und eine Fliegerbombe – als Blindgänger 2011 bei Bauarbeiten am Waidmarkt gefunden – und viele andere Objekte der Nachkriegszeit erzählen Geschichten. Fotografien und Plakate liefern ein anschauliches Bild vom Alltag. Sie zeigen die Stadt in Trümmern, aber auch Köln im Aufbruch.

Unterstützt wird die Ausstellung durch Museen und Sammlungen, die mit Objekten und Fotografien die Präsentation erweitern. Ein großer Dank gebührt dem NS Dokumentationszentrum, dem Römisch-Germanischen Museum, dem Museum Schnütgen, dem Historischen Archiv der Stadt Köln, dem Dombauarchiv sowie der Hohen Domkirche zu Köln und Dombaumeister Peter Füssenich, der Stiftung Bundeskanzler Konrad Adenauer Haus, dem Landesarchiv NRW, der Süddeutsche Zeitung Photo und dem Archiv Wim Cox.

Der Kölner Schriftsteller Heinrich Böll brachte es auf den Punkt: „Der Krieg wird niemals zu Ende sein, solange noch eine Wunde blutet, die er geschlagen hat.“

Viele dieser Wunden sind auch heute noch nicht vollständig verheilt – nicht nur im Stadtbild. Die Kriegsnarben der Stadt werden in der Ausstellung gezeigt, festgehalten durch das Rheinische Bildarchiv Köln: in einer Serie von Fotografien von Grundstücken mit minderbebauten Häusern, Trümmerbergen, aber auch von Mahnmalen, die bis heute an die Opfer und Grausamkeiten der Zeit des NS-Regimes erinnern.

Diese Ausstellung, die mit dem Kriegsende beginnt und bis ins Jahr der Währungsreform 1948 den Alltag in Trümmern präsentiert, ist ein wichtiges Projekt, das durch die großartige Unterstützung des gesamten Teams des Kölnischen Stadtmuseum und vielen weiteren Helferinnen und Helfern entstanden ist. Ein besonderer Dank geht an Mario Kramp, Rita Wagner, Philipp Hoffmann, Andrea Habel-Schablitzky, Jörg Borger-Besser und das Team der Restauratorinnen und Restauratoren, unsere Museumspädagogin Ipek Sirena Krutsch, die Grafikerin Annemarie Krätz für Plakat, Flyer und Ausstellungsgrafiken und das Team der Hausverwaltung.

Zu danken ist auch weiteren Kooperationspartnern: dem Forum für Willkommens Kultur
(einem Projekt des Kölner Flüchtlingsrates e.V. und der Kölner Freiwilligen Agentur e.V.)
und dem LiK-Archiv Böll der Stadtbibliothek Köln. Dank gebührt nicht zuletzt Rüdiger Müller und René Schulz für Gestaltung und Umsetzung des Begleitbandes.

Yvonne Katzy
Kölnisches Stadtmuseum

Abbildung: U. S. Department of Defense, Department of the Army, 1945

Cologne 1945. Everyday life in ruins

The Second World War ended for Cologne’s population on the left side of the Rhine on 6 March 1945. After almost six years of war and twelve years under Nazi rule, Cologne is in ruins and resembles a ghost town. The old town is destroyed and almost none of the buildings are still habitable above ground. The sanitary conditions are disastrous. The electricity, water and gas supplies are not working anymore. Hunger, privation, exhaustion and disorientation shape the people’s daily lives. The city’s residents have to get to grips with the new challenges of life. The confrontation with the Nazi past and questions about personal culpability in the regime of terror are secondary at first.

The period from 1945 to 1948 holds many challenges in store for the people. They are told in stories of everyday life – they are also the stories that this exhibition is about.

They are about the rebuilding of the city, its infrastructure, at first and most urgently the removal of the rubble from the streets. This is primarily accomplished by companies, but the people of Cologne also volunteer under the motto ‘Shovelling, shovelling is now trumps’.

Under Allied supervision the city’s political structures and administration are re-organised. In October 1946 the first democratic elections after the war are held: the city’s first elected mayor is Hermann Pünder. The old Nazi elites are to be excluded from the rebuilding efforts: a denazification is attempted in Cologne and the British zone too.

The exhibition is also about the stories of cultural revival: exhibitions and plays are staged, there is song and dance, and there is even a football match against a British team.

However, everyday life is shaped by hunger and hunger demonstrations, the longedfor reception of CARE packages, by ‘fringsen’ and trading on the black market. A special piece of contemporary evidence is the accounts book kept by Willi Rees from Cologne. He records his income and expenses on the black market in the first few years after the war – cigarettes are the currency that is used. A CARE package and its unopened contents demonstrate the first humanitarian assistance and the privation. Rubble from the war and an aerial bomb – discovered in 2011 as an unexploded ordinance during construction works at Waidmarkt – and many other objects of the post-war period tell stories. Photographs and posters provide a vivid picture of everyday life. They depict the city in ruins, but also Cologne as it rebuilds.

The exhibition is supported by museums and collections that expand the presentation with objects and photographs. We wish to extend a big thank you to the NS-Dokumentationszentrum, the Römisch-Germanisches Museum, the Museum Schnütgen, the Historisches Archiv der Stadt Köln, the Dombauarchiv as well as to Cologne Cathedral and Dombaumeister Peter Füssenich, the Stiftung Bundeskanzler Konrad Adenauer Haus, the Landesarchiv NRW, the Süddeutsche Zeitung Photo and the Archiv Wim Cox.

The author Heinrich Böll, who was from Cologne, put it succinctly: ‘The war will never be over for as long as a wound it created is still bleeding.’

Many of these wounds still have not fully healed – not just in the cityscape. The war wounds of the city are shown in the exhibition, captured by the Rheinisches Bildarchiv Köln: in a series of photographs of plots with underdeveloped buildings, rubble mountains, but also of memorials that still serve as reminders of the victims and atrocities of the Nazi regime.

This exhibition, which starts at the end of the war and continues until the year of the currency reform in 1948 and which presents everyday life in ruins, is an important project that has been realised thanks to the fantastic support of the entire team at the Kölnisches Stadtmuseum and many other committed individuals. Special thanks also to Mario Kramp, Rita Wagner, Philipp Hoffmann, Andrea Habel-Schablitzky, Jörg Borger-Besser and the team of restorers, our museum educator Ipek Sirena Krutsch, the artist Annemarie Krätz for the poster, flyer and exhibition graphics and the team in the museum management.

We also wish to thank our extended co-operative partners: the Forum für Willkommens Kultur (a project by the Kölner Flüchtlingsrates e.V. and the Kölner Freiwilligen Agentur e.V.) and the LiK-Archiv Böll of the Stadtbibliothek Köln. Last but not least we wish to thank Rüdiger Müller and René Schulz for the design and implementation of the accompanying publication.


Yvonne Katzy
Kölnisches Stadtmuseum